Kapitel XII

 

Sommerlich warmes Licht fiel auf die Marmorstufen des Palais an der Place Louis-le-Grand, als Schweizer Lakaien in grünen Livreen im Frühjahr 1716 die schweren Eichenflügel des neuen Geldtempels aufstießen. Einige Adlige und Finanziers waren gekommen, um der Eröffnung einer Bank beizuwohnen, die bereits seit Tagen in den Zeitungen, vor allem in der »Gazette de la Regence«, verspottet wurde. Die neue Banque Generale verfügte über kein eigenes Gebäude, sondern war im Privathaus der Familie Law untergebracht.

Gegen Mittag fuhr zum allgemeinen Erstaunen der Schaulustigen, die sich an diesem Vormittag zum boshaften Tratsch auf dem Platz eingefunden hatten, ein Konvoi von mehreren Kutschen vor. Die Wagen trugen die Insignien des Duc d'Orleans. Diener des Regenten stiegen aus und entluden schwere Eichentruhen, die mit gusseisernen Metallriemen verstärkt waren. Die Männer ließen sich Zeit. Die Schaulustigen sollten sehen, was sich da ereignete. Der Regent brachte Geld in die neue Bank. Der Regent schenkte John Law öffentlich sein Vertrauen. Die Truhen wurden hintereinander aufgestellt. Es waren drei Stück. Sechs Diener postierten sich jeweils an den Seiten. »Messieurs«, sagte der Erste Diener leise. Auf dieses Kommando hin beugten sich alle Diener gleichzeitig nach den seitlich angebrachten Griffen der Truhen, umklammerten sie, hievten sie hoch und schritten langsam die Stufen zur Bank hinauf. Einige der Umstehenden folgten der Dienerschaft in die lichtdurchflutete Empfangshalle im Erdgeschoss.

Ein groß gewachsener Mann mit dunkelbrauner Perücke stand hinter der Balustrade im ersten Stock und stieg nun langsam die Treppe zur Halle hinunter. Er trug eine mit tiefroten Samtfäden bestickte Robe. Es war der Hausherr, John Law of Lauriston, Direktor der Banque Generale. Die Schweizer Lakaien waren in respektvollem Abstand um ihn geschart. John Law begrüßte den Ersten Diener des Regenten. Er sprach laut und deutlich, sodass ihn alle Anwesenden gut verstehen konnten. Er bestätigte den Erhalt von einer Million Livre in Gold- und Silbermünzen.

 

»Eine Million Livre!«, ereiferte sich Samuel Bernard in seinem Salon und warf die Zeitung auf den Tisch. Noailles, d'Argenson und Crozat wechselten bedeutungsvolle Blicke. Jetzt wandten sich alle an Larcat, den Herausgeber der »Gazette de la Regence«. Dieser mimte den Unschuldigen und rieb sich nervös die feuchten Handflächen.

»Wie konnte das bloß geschehen!«, schrie Samuel Bernard. In seinem Gesicht zeugten üble Schrammen und Wunden von der öffentlichen Schmach, die man ihm vor nicht allzu langer Zeil zugefügt hatte.

»Ganz Paris lacht über diese Bank«, polterte Samuel Bernard und griff erneut nach der Zeitung, »Ihre Zeitung hätte diesen Schotten in wenigen Wochen wie eine Laus zerquetschen müssen. Haben Sie schon vergessen, mit wessen Geld Sie Ihre neuen Druckerpressen gekauft haben? In Zukunft holen Sie sich Ihre Kredite bei unserem Finanzminister Noailles.« Samuel Bernard warf Noailles einen bösen Blick zu.

»Ich protestiere, Monsieur«, meldete sich Verleger Larcat räuspernd und hüstelnd zu Wort, »der Regent hat mit seiner Amnestie hunderte von freien Plätzen in der Bastille geschaffen. Sie mögen mich tadeln, Monsieur, aber der Tadel wiegt weniger schwer als die Aussicht, ein Jahr in der Bastille zu verbringen!«

Bernard griff erneut nach der Zeitung und warf sie Larcat gleich wieder an den Kopf: »In euren Schreibstuben gebärdet ihr euch wie wilde Löwen, unerschrockene Kämpfer, aber hier draußen in der freien Wildbahn seid ihr nichts anderes als Kojoten, Aasfresser, Feiglinge, elende Feiglinge!«

Larcat reckte beleidigt den Hals und tat so, als habe er nichts gehört.

Bernard setzte nach: »Selbst für ein ehrenhaftes Duell ist euresgleichen zu feige.«

»Selbst wenn ich Sie im Duell töte, Monsieur, erwartet mich nach dem Gesetz die Todesstrafe ...«

Bernard machte eine abfällige Handbewegung. Larcat protestierte: »Würde ich jedes Duell annehmen, Monsieur, der Tag hätte zu wenig Stunden, um all den erbosten Lesern Satisfaktion zu gewähren.« Bernard schüttelte nur noch verärgert den Kopf. Dann herrschte plötzlich Schweigen. Schließlich ergriff d'Argenson das Wort. Er versuchte, besänftigend zu wirken: »Nachdem der Regent eine Million in die Bank einbezahlt hat, glaubt ganz Paris, dass es in Wirklichkeit die Bank des Regenten ist. Und dass Monsieur Law nur eine Marionette ist. Sehen Sie es doch bitte so. Es ist die Bank des Schotten, aber de facto die des Regenten.«

»Ich will mich dazu nicht äußern«, erwiderte Noailles missmutig, »aber wenn königliche Fonds in diese Bank fließen, kann die >Gazette< schreiben, was sie will. Solange sich der Regent schützend vor John Law stellt...«

»Was werden Sie unternehmen?«, fragte Bernard ungeduldig. »Als es darum ging, die verdienstvollen Finanziers der Krone öffentlich an den Pranger zu stellen, waren Sie auch nicht verlegen.«

»Nur das Parlament kann diesen Schotten zu Fall bringen!«, grummelte Noailles und erhob sich von seinem Sitz.

»Und Sie, Monsieur Crozat, haben Sie keine Meinung?«, fragte Noailles spitz.

»Hat ein Mann, dem man 6,6 Millionen Livre abpresst, eine eigene Meinung? Er hat eigene Interessen, Monsieur. Aber eine eigene Meinung kann er sich wohl kaum noch leisten. Ich muss Monsieur Law Glück wünschen, ich bin sein Schuldner. Oder sähen Sie es lieber, wenn ich ihm meine Mississippi-Konzession abtreten müsste?«

»Mississippi! Ich kann das Wort nicht mehr hören. Was ist denn Ihr Mississippi? Eine Krankheit? Eine Seuche? Eine Geschlechtskrankheit!« Noailles verließ den Salon. Ein Diener folgte ihm nach draußen.

»Besuchen Sie morgen diesen Schotten«, befahl Samuel Bernard dem Herausgeber der »Gazette de la Regence«. »Prüfen Sie alle seine Angebote und erzählen Sie ganz Paris, dass sich kein Mensch diese Angebote leisten kann!«

 

Es war schon spät in der Nacht, als Catherine das Arbeitszimmer ihres Mannes betrat. »Ganz Paris neidet dir die Nähe zum Regenten!«

»Ich konnte nur ein Viertel der Aktien platzieren. Nur gerade dreihundert Aktien. Bei einem Ausgabewert von fünftausend Livre sind das gerade einmal 1,5 Millionen Livre. Und sechs Millionen hätten wir gebraucht, um über genügend Liquidität zu verfügen.«

»Immerhin 1,5 Millionen Livre, John.«

John Law lachte amüsiert: »In Wahrheit sind es noch weniger. Denn der Regent bestand darauf, dass man unsere Bankaktien mit den mittlerweile praktisch wertlosen Staatsanleihen bezahlen darf. Weißt du, wie viel eine Staatsanleihe noch wert ist?Vierzig Prozent. Und diesen wertlosen Wisch müssen wir als Zahlung für unsere wertvollen Aktien entgegennehmen. Aber selbst das hat nicht ausgereicht, um mehr als ein Viertel der Aktien loszuwerden.«

»Aber du hast jetzt deine Bank. Das war die größte Hürde. Alles andere liegt jetzt in deinen Händen!«

 

Mit flinken Bewegungen fuhr die Hand über den leeren Papierschein. »Die Bank verspricht den Träger dieses Papiers, die Summe von zwei Louisdor in Münzen auszubezahlen, die dem Wert bei Erhalt entsprechen.«

John Law blickte von seinem Schreibtisch auf. Ihm gegenüber saß ein skeptischer Monsieur Larcat, der nun zwei Louisdor-Münzen auf den Tisch legte.

»Und ich kann jederzeit kommen und erhalte gegen Rückgabe dieses Papiers wieder meine beiden Goldmünzen?«, fragte Larcat argwöhnisch.

»Sie erhalten wesentlich mehr, Monsieur. Denn wenn Sie die Banknote wieder zurückbringer und das Metallgeld in der Zwischenzeit wieder abgewertet worden ist, erhalten Sie dennoch Goldmünzen, die dem heutigen Wert entsprechen. Mit dem Wechsel in Banknoten schützen Sie sich gegen die Abwertung der Münzen«, lächelte John Law. »Sie können diese Banknote aber auch im alltäglichen Geschäftsverkehr als Zahlungsmittel einsetzen.«

Larcat hatte die Bank mit dem Vorsatz betreten, das Geschäftsmodell dieses Schotten nach Strich und Faden auseinander zu nehmen und sich so die Anerkennung der alteingesessenen Finanziers zu verdienen. Doch nun saß er diesem freundlichen Schotten gegenüber, und er ahnte allmählich, wieso dieser John Law in der Stadt so viele Feinde hatte.

»Daran habe ich noch nicht gedacht, Monsieur. Wenn ich bedenke, dass allein zu meinen Lebzeiten die französischen Münzen beinahe vierzig Mal abgewertet worden sind ... Dann ist der Wechsel von Münzen in Banknoten der einzige Schutz gegen die Geldentwertung.«

»Das ist nur ein angenehmer Nebeneffekt meines Systems, Monsieur Larcat. Primär geht es darum, Frankreich zu neuer Stärke zu verhelfen«, schmeichelte ihm John Law, »als Sie hier reinkamen, besaßen Sie zwei Louisdor. Jetzt haben wir die Geldmenge bereits verdoppelt. Die Bank arbeitet mit Ihren beiden Louisdor weiter, stellt sie der Wirtschaft in Form von Krediten zur Verfügung, und Sie lassen Ihre Banknoten zirkulieren, als seien es Münzen. So vervielfachen wir die zirkulierende Geldmenge. Und genau deshalb wird Frankreich wieder aus der Krise finden.«

Larcat nickte. Er konnte es nicht ändern, ihm gefiel dieser Schotte mit seiner ruhigen, überlegten Art. Er dachte nach, dann griff er in seine Tasche, legte einen Silber-Ecu auf den Tisch und sagte forsch: »Ich möchte diesen Silber-Ecu meiner Mutter nach Marseille überweisen. Wie hoch sind Ihre Gebühren, Monsieur?«

»Wir erheben dafür keine Gebühren, Monsieur Larcat.«

»Sie machen es einem richtig schwer, Sie nicht zu mögen«, scherzte Larcat.

 

»Keine Gebühren!«, rief Samuel Bernard. »Will er uns denn gänzlich ruinieren! Schreiten Sie ein, Noailles!«

Noailles, d'Argenson, Larcat und Saint Simon saßen im Salon des Bankiers Bernard.

»Es kommt noch schlimmer«, grummelte Noailles, »der Regent wird morgen alle lizenzierten Steuereintreiber verpflichten, den Anteil der Krone in Zukunft in Papiergeld zu überweisen.«

»Noten«, lächelte Saint Simon, »man nennt dieses neue Geld aus Papier neuerdings Noten.«

»Woher sollen wir diese Noten beziehen?«, fragte Bernard gereizt. »Müssen wir unser wertvolles Metallgeld in Banknoten umtauschen, damit wir unsere Abgaben an die Krone in Banknoten entrichten können?«

Etwas verlegen zog Larcat die Banknote, die ihm John Law gestern ausgestellt hatte, aus der Tasche und hielt sie hoch wie eine Hostie: »Auch die >Gazette< wird in Zukunft ihre Steuern in Banknoten entrichten.«

»Hat er Ihnen komplett den Kopf verdreht?«

»Er bietet kostenlose Geldüberweisungen in andere Städte und Länder an. Selbst der Umtausch in andere Währungen ist kostenlos.«

»Das wird ihn ruinieren!«, sagte Noailles befriedigt. »Das wird er nicht überleben.«

D'Argenson meldete sich zu Wort: »Die Bankiers Ihres Schlages werden dadurch ruiniert, Monsieur Bernard. Ich hörte, dass Monsieur Law selbst für das Diskontieren von Wechseln keine Gebühren erhebt.«

Samuel Bernard schwieg betreten. Saint Simon schaute sich die Banknote von Larcat an und reichte sie an d'Argenson weiter. Noailles wollte sie nicht sehen, er gab sie gleich an Bernard weiter. Bernard nahm sie in die Hand und starrte sie an.

»Vorsicht, Monsieur, sie ist zwei Louisdor wert.«

Samuel Bernard hob den Kopf, schaute Larcat an, wollte etwas erwidern, ließ es dann aber bleiben. Er starrte erneut auf die Banknote. »Und wenn Sie ihm diese Banknote zurückbringen, bezahlt er Ihnen wieder zwei Louisdor.« Es war keine Frage, sondern eine nüchterne Feststellung.

»Genau so ist es«, antwortete Larcat, »das ist die Zukunft, Messieurs.«

»So, so«, murmelte Bernard lediglich. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Ein Lächeln, das in ein breites Grinsen überging: »Und wenn plötzlich tausende von Menschen gleichzeitig ihre Banknoten zurückbringen und sie gegen Münzen umtauschen wollen ...«

»Dann nimmt er die Banknoten zurück und bezahlt ihnen Münzen aus«, erwiderte Larcat mit einem Schulterzucken, »aber wieso sollen plötzlich tausende von Menschen ihre Banknoten wieder in Münzen umtauschen wollen?«

Jetzt grinste auch Noailles übers ganze Gesicht.

»Sehen Sie, Monsieur Larcat«, begann Bernard mit sichtlichem Vergnügen, »Monsieur Law verlangt keine Gebühren und ruiniert dadurch die alteingesessenen Finanziers. Also stellt sich die Frage: Wie verdient die Bank Geld? Indem Sie Kredite vergibt. Die Münzen, die man gegen Banknoten eintauscht, lagern nicht einfach in der Bank. Nein, diese Münzen vergibt Monsieur Law wiederum in Form von Krediten. Wahrscheinlich hat er deshalb nicht besonders viele Münzen in seiner Bank. Aber auf jeder Banknote steht das Versprechen geschrieben, dass er dem Überbringer den ursprünglichen Wert in Münzen retourniert...«

»Ooo«, machte Larcat, »Sie wollen die Zukunft aufhalten. Na dann, Messieurs, Sie können diesen Schotten zu Fall bringen, aber Sie können die Zukunft nicht aufhalten.«

»Ich schwöre Ihnen, Monsieur Larcat, dass sich die Banknote nie durchsetzen wird. Es gibt Dinge, die sind einfach gesetzt: die Existenz Gottes, das Pferd als schnellstes Transportmittel, die gesellschaftliche Funktion der Frau und die Beschaffenheit des Geldes.«

 

Die mechanischen Teile waren zu einem Körper zusammengefügt, an dessen Seiten riesengroße Flügel montiert waren.

»Ein Bauernsohn, der zum Künstler wurde«, sinnierte Crozat. Er stand in seiner Gemäldegalerie und warf John Law einen Blick zu. »Ein Künstler, der zum Universalgenie wurde.«

Die Skizze von Leonardo da Vinci zeigte ein futuristisches Fluggerät, das an eine Nussschale erinnerte, die man mit Fledermausflügeln ausgestattet hatte.

»Halten Sie es für möglich, Monsieur Law, dass eines Tages solche Geräte über die Dächer von Paris fliegen?«

»Ich bin überzeugt davon, Monsieur Crozat«, erwiderte John Law mit ernster Miene, »ich glaube, dass alles, was wir uns ausdenken, eines Tages realisiert werden wird. Alles. Es gibt keine Grenzen.«

»Sind Sie da ganz sicher, Monsieur?«, fragte Crozat. Ein seltsames Lächeln huschte über seine Lippen. »Glauben Sie tatsächlich, dass wir solche Fluggeräte bauen würden, wenn wir dazu in der Lage wären? Und dass wir sie benutzen würden?«

»Da bin ich mir absolut sicher«, entgegnete John Law. Er begriff nicht ganz, worauf Crozat hinauswollte. Er betrachtete bereits das nächste Bild von Leonardo, eine Luftschraube.

»Vielleicht würden die Kutscher dagegen protestieren.«

»Die Kutscher?«

»Die Flugobjekte würden ihnen wahrscheinlich Gäste wegnehmen. Vor allem auf den lukrativen Strecken über Land. Stellen Sie sich das mal vor, die Kutscher würden diese Flugobjekte verbrennen wollen.«

»Sie könnten ihre Kutschen verkaufen und die Handhabung dieser Flugobjekte erlernen«, sinnierte John Law.

»Ein Kutscher würde das nie tun, Monsieur Law«, sagte Crozat mit ernster Stimme, »er würde diese Flugobjekte abfackeln, obwohl er genau wüsste, dass diesen Flugobjekten die Zukunft gehört. Einfach, weil sie seine Geschäfte stören. Das Geschäft des Kutschers mag das Geschäft von gestern sein. Aber was nutzt dem Kutscher der ganze Fortschritt, wenn es sein jetziges Einkommen schmälert? Die Menschen sind faul und träge, Monsieur, sie lernen nicht gern Neues, sie geben nicht gern alte Gewohnheiten auf. Der Fortschritt macht ihnen Angst. Und sie empfinden Neid und Hass gegenüber jenen, die sich mutig dem Neuen zuwenden. Das ist der Feind des Fortschritts, Monsieur. Flugobjekte wären eine wunderbare Sache, aber selbst wenn sie möglich wären, man würde sie verhindern. Genauso wie ihre Bank, Monsieur.«

John Law wandte sich abrupt zu dem Marquis um.

»Es kann sein, dass jemand mein System zu Fall bringen will, Monsieur. Aber es ist nicht aufzuhalten. Die ganze Welt wird eines Tages Banknoten für den Zahlungsverkehr einsetzen. Ich bin felsenfest überzeugt, dass diese Banknoten in einer fernen Zukunft weder mit Silber noch mit Gold gedeckt sein werden! Denn die größte Gefahr meines Systems ist die Launenhaftigkeit der Monarchie. Nicht das System.«

Crozat atmete tief durch. Jetzt standen sie vor einer Skizze, die ein Gefährt zeigte, das sich unter Wasser bewegen konnte: »Wenn Sie an Ihr System glauben, Monsieur, dann glauben Sie nicht an die Monarchie.«

»Wenn eines Tages alle Menschen Arbeit haben, werden sie Bildung wollen. Bildung verträgt sich nicht mit Gott und der Monarchie. Ich glaube fest an mein System. Sie können es sabotieren, hinauszögern, aber sie können es nicht aufhalten.«

Blutjunge Natchez-Indianerinnen servierten das Abendessen. Die Mädchen waren nur mit Lederschürzen bekleidet. In ihrem pechschwarzen Haar steckten exotische, bunte Federn. Die Arme waren tätowiert, geheimnisvolle geometrische Muster, wie man sie in Europa noch nicht gesehen hatte. Mit federndem Schritt betraten sie den Salon, verbeugten sich freundlich und servierten Entenpastete, gebratenes Huhn, gefüllte Taubenbrust, gehackte Rindsbuletten, gegrilltes Schweinefilet und kunstvoll angerichtete Gemüseplatten.

Crozat erhob sein Glas: »Auf Ihre Bank, Monsieur Law, auf Ihr System.«

John Law bedankte sich mit einem freundlichen Kopfnicken und erhob seinerseits sein Glas: »Auf unsere Freundschaft, Monsieur, auf Ihre Sammlung, die weltweit ihresgleichen sucht.«

Die Männer tranken und setzten ihre Gläser wieder ab. Diener servierten den ersten Gang.

»Monsieur Law«, begann Crozat die Konversation, »es freut mich außerordentlich, einen sachkundigen Kunstkenner in meinem Salon zum Diner begrüßen zu dürfen. Als Sammler fühlt man sich manchmal genauso einsam wie der marchand aventurier in Louisiana. Über die Kunst lässt sich vieles erahnen, was das Herz begehrt und der Verstand nicht in Worte zu fassen vermag.«

Crozat hielt inne. John Law spürte, dass Crozat auf irgendetwas hinauswollte.

»Ich habe seinerzeit das königliche Privileg erworben, die Neue Welt erforschen und ihre schier unerschöpflichen Vorräte an Gold, Silber und Smaragden bergen zu dürfen. Louisiana ist mehr als ein Ort, der Mississippi mehr als ein Fluss. Es ist ein Kontinent, Monsieur Law, ein Territorium, größer als Europa. Unsere Wälder bieten zu wenig Holz, um genügend Schiffe zu bauen, um all diese Schätze bergen zu können: Kaffee, Tee, Kakao ...« Crozat schaute einer der jungen Natchez-Indianerinnen nach, die den Raum wieder verließ. Nur ein Lederriemen zierte ihren Po. »Ich bin nun schon über sechzig, Monsieur Law. Manch einer erreicht nicht mal die Hälfte meines Alters. Und wenn ich die Wahl hätte, in Louisiana zu sterben oder hier inmitten meiner Gemälde und Skizzen, ich würde, ohne zu zögern, die Neue Welt wählen.« John Law nickte. Jetzt glaubte er zu wissen, worauf Crozat hinauswollte. »Die Krone zwingt mich, eine Entscheidung zu treffen. Meine Sammlung oder die Neue Welt. Wäre ich jünger, würde ich mich sicher für die Neue Welt entscheiden. Doch leider bin ich nicht mehr jung.«

»Sie wollen mir die königliche Konzession für die Neue Welt verkaufen?«

»So ist es, Monsieur Law. Sie haben mir freundlicherweise zugesagt, mir mit einem Kredit auszuhelfen, damit ich mich bei diesen königlichen Briganten mit 6,6 Millionen Livre freikaufen kann. Aber ich fürchte, ich werde Ihnen diese Summe nur zurückerstatten können, wenn ich entweder meine Konzession oder meine Sammlung verkaufe. Also liegt es auf der Hand, dass ich Ihnen meine Konzession anbiete. Sie sind jünger als ich, Monsieur Law.«

»Darf ich Sie in Banknoten bezahlen, Monsieur?«

»Ich bedaure, Monsieur. Mein geliebtes Louisiana müssen Sie in Gold und Silber aufwiegen. Die Berge und Flüsse werden es Ihnen tausendfach zurückgeben.«

 

»Über sechs Millionen in Münzen«, lamentierte Angelini, »wenn Monsieur mir über sechs Millionen in Münzen wegnimmt, verfügen wir kaum noch über Metallgeld ...«

Das große Kellergewölbe der Banque Generale, in dem einst edle Eichenfässer gelagert hatten, war mit massiven Gitterstäben mehrfach gesichert. Nur wenig Tageslicht drang aus den schmalen Luken von der Place Louis-le-Grand ins unterirdische Geschoss. Angelini entzündete eine Kerze nach der anderen.

»Es ist nichts als ein vorübergehender Liquiditätsengpass, Angelini. Ich ordne hiermit an, dass Monsieur Crozat noch heute 6,6 Millionen in Münzen ausbezahlt werden.«

»Und wenn morgen jemand zur Bank kommt und drei Millionen Banknoten in Münzen umgetauscht haben will?«

John Law lächelte: »Soll ich Ihnen die Wahrscheinlichkeit ausrechnen, dass morgen jemand kommt und Banknoten im Wert von drei Millionen Livre umgetauscht haben will?«

»Ich bitte um Verzeihung Monsieur«, gab Angelini bei, »diese großen Summen machen mich einfach nervös. Ich bewundere Sie, Monsieur, dass Sie nachts überhaupt ein Auge zumachen können.«

»Vernunft und Mathematik«, lächelte der Schotte.

 

Es war spätnachts, als Angelini noch einmal John Laws Arbeitszimmer betrat.

»Schlafen Sie denn nie, Angelini?«, fragte John Law, als er den übermüdeten Sekretär erblickte. Angelini machte ein ernstes Gesicht. Er blieb neben John Law stehen und legte eine Notiz auf den Tisch: »Der Erfolg der Bank wird Ihnen noch das Genick brechen. Wir drucken zu viele Banknoten, die Deckung ist zu dünn.«

»Ich habe das alles mitberechnet«, murmelte John Law, während er Angelinis Notizen sorgfältig durchging, »das habe ich nicht anders erwartet, Angelini, das ist kein unvorhergesehenes Ereignis. Es zeigt nur, wie der Handel gedarbt hat. Das habe ich von Anfang an so erwartet. Mittlerweile beziehen selbst unsere ärgsten Feinde Gelder und Kredite in Banknoten.«

»Das sollte uns stutzig machen, Monsieur.«

»Selbst Ihr ärgster Feind wird zu Ihrem Partner, wenn Sie ihm ein lukratives Geschäft vorschlagen.«

»Monsieur«, versuchte es Angelini von neuem, »es geht alles zu schnell. Die ausgegebenen Banknoten sind kaum noch gedeckt...«

»Dafür besitzen wir Crozats Konzession für die Neue Welt. Der Engpass ist nur vorübergehend, Angelini, glauben Sie mir, in einigen Monaten werden wir ruhigere Gewässer erreichen. Und jetzt gehen Sie schlafen, damit wenigstens einer von uns schläft!«

 

»Es ehrt mich, Monsieur, dass Sie auch weiterhin die Zeit finden, mich zu empfangen«, sagte der Duc de Saint Simon, als er von John Law im großen Saal im ersten Stock begrüßt wurde. Mittlerweile liefen noch mehr flinke Schweizer Lakaien in grünen Livreen über das Parkett. Es herrschte reger Betrieb. Die Kunden kamen und gingen. Die Menschen sprachen leise, gedämpft. Etwas Sakrales durchflutete die imposante Säulenhalle. In den Fensternischen waren kleine Tische aufgestellt, an denen Kunden von vornehmen Sekretären bedient wurden. An allen Tischen hatten sich Warteschlangen gebildet.

»Wir werden bald umziehen müssen«, flüsterte John Law dem sichtlich beeindruckten Saint Simon zu. Er führte den Herzog in einen Nebenraum, der wie alle Türen zu den hinteren Sälen von Schweizer Gardisten bewacht wurde.

Saint Simon betrat John Laws Arbeitszimmer. Vier Sekretäre waren damit beschäftigt, Banknoten zu signieren und von Hand die Nummer der Note einzutragen.

»Immer mehr Ausländer kommen nach Paris, um ihre Wechsel einzulösen. Ich habe gehört, dass man unsere Banknoten in Amsterdam bereits über pari handelt. Stellen Sie sich vor: Die französischen Staatsanleihen haben bereits über sechzig Prozent an Wert verloren, aber eine Banknote, die in diesem Hause signiert wird, ist mehr wert als der Betrag, der auf dem Papier verbürgt wird.«

»Und wo lagern Sie das viele Münzgeld?«, fragte Saint Simon leise. »Das ist ein Geheimnis«, entgegnete John Law.

»In Paris wird gemunkelt, Sie hätten eine massive Unterdeckung. Auf eine Münze hätten Sie bereits den zehnfachen Gegenwert in Banknoten ausgegeben. Wenn alle Inhaber von Banknoten ihre Papiere am selben Tag gegen Münzen eintauschen wollten, könnten Sie nur gerade zehn Prozent von ihnen befriedigen.«

»Was wollen Sie damit andeuten, Monsieur le Duc?«, fragte John Law und schaute Saint Simon dabei eindringlich an.

»Sie haben Feinde, Monsieur«, sagte Saint Simon. Er zögerte, als sei er unschlüssig, wie viel er verraten solle. John Law trat zur großen Fensterfront, die den Blick auf die Reiterstatue an der Place Louis-le-Grand freigab. Saint Simon folgte ihm.

»Ich bin aufrichtig überrascht, Monsieur«, begann Saint Simon von neuem, »wie schnell Ihre Bank Wirkung zeigt. Ich kenne Menschen, die bei Ihnen Kredite aufgenommen haben und plötzlich investieren, Arbeiter einstellen ...«

»Weshalb sind Sie hergekommen, Monsieur le Duc?«, fragte John Law. Jetzt sprach er sehr ernst. »Was wollen Sie mir mitteilen?«

»Selbst wenn Ihr System siegt, Monsieur, werden Sie untergehen. Aber ich fürchte, ich komme zu spät.«

Saint Simon sah die Kutsche, die auf die Place Louis-le-Grand einbog. Eine zweite folgte ihr. Und dann weitere Kutschen. »Ich kam zu spät, Monsieur Law ...« John Law sah den Schrecken im Gesicht von Saint Simon.

John Law wandte sich ab. »Sie entschuldigen mich. Ich muss hinuntergehen und den Kunden empfangen«, sagte Law mit gefasster Stimme. Als er die geschwungene Treppe hinunterging, trat Samuel Bernard bereits durchs Portal.

»Monsieur Law«, rief der Bankier mit lauter, dröhnender Stimme, sodass ihn alle in der großen Säulenhalle hören konnten, »Monsieur Law, ich besuche heute die Banque Generale, um Banknoten im Wert von fünf Millionen Livre gegen Münzen in Silber und Gold einzutauschen.«

»Ich heiße Sie herzlich willkommen, Monsieur Bernard. Es schmeichelt uns, dass Sie uns die Ehre erweisen, für Sie ein Geschäft tätigen zu dürfen.« John Law hatte ebenso laut gesprochen wie Bernard. Langsam schritt er nun die letzten Stufen hinunter. Von draußen drängten immer mehr Schaulustige in die Schalterhalle. Offenbar hatte sich bereits herumgesprochen, was sich heute in der Bank abspielen sollte.

»Wo darf meine Dienerschaft das Geld in Empfang nehmen?«, fragte Bernard siegesgewiss und drehte sich theatralisch nach den anwesenden Leuten um.

»Hier, Monsieur. In dieser Halle«, entgegnete John Law.

Samuel Bernard war irritiert. Zornesröte brachte sein Gesicht zum Glühen.Trotzig setzte er nach: »Ich warte, Monsieur.«

»Morgen um zehn«, erwiderte John Law, »wir erwarten heute Gesandte aus Russland, Holland und Italien. Ich bitte um Verständnis, dass wir für eine Transaktion von fünf Millionen Livre vierundzwanzig Stunden benötigen. Darf ich Sie bitten, sich im oberen Stock zu melden? Es gibt noch einige Formalitäten zu erledigen.«

John Law verbeugte sich und schritt an Samuel Bernard und den Schaulustigen vorbei. Er verlangte nach seiner Kutsche. Die Schweizer Gardisten bahnten John Law einen Weg auf die Place Louis-le-Grand. John Laws Kutsche, die mittlerweile über eigene Farben und ein eigenes Wappen verfügte, fuhr vor.

»John!«, schrie jemand. John blickte über die Schulter und sah einen Mann, der mit seiner Kutsche in der Menschenmenge stecken geblieben war. Er hatte die Tür aufgestoßen und stand nun wild gestikulierend auf dem Trittbrett: »John, ich bin's!«

John glaubte die Stimme zu erkennen. Sie erinnerte ihn an Pferde, nasse Weiden.

»John!«, hörte er erneut rufen. Diesmal klang die Stimme unwirsch und herrisch.

John stieg in seine Kutsche, klopfte mit seinem Stock heftig gegen das Kutschendach.

William Law blickte verdutzt der Kutsche nach, die sich einen Weg durch die herumstehenden Schaulustigen bahnte.

»Und das ist dein Bruder?«, fragte eine kühle, weibliche Stimme im Inneren der Kutsche. Eine junge Frau saß in der Kutsche.

»Er konnte mich nicht sehen!«, murmelte William und stieg wieder in die Kutsche ein, »aber was soll's? Ich will mit ihm Geschäfte machen und keine Kindheitserinnerungen austauschen.«

Das Hausmädchen, das neben dem Kutscher oben auf dem Bock gesessen hatte, war in der Zwischenzeit hinuntergestiegen. Sie trug einen schwarzen Reisemantel mit Kapuze. Jetzt warf sie die Kapuze zurück. Es war Janine.

»Geh schon«, herrschte er sie an, »Du kannst es ja kaum erwarten, wieder in seine Dienste zu treten. Für dich hat er wahrscheinlich mehr Zeit...«

 

Antoine Crozat lag unter einem mit bunten Federn geschmückten Baldachin inmitten von Tierfellen und mit Seide bestickten Kissen. Im Arm eine junge Natchez-Indianerin. An den goldgefassten Wandtäfelungen hingen die ausgestopften Köpfe von Tigern, Pantern, Löwen, Bären und einem rindsartigen Tier mit Hörnern und Zottelbart.

»Sie nennen sie Bisons«, sagte Crozat mit jovialer Stimme. Irgendetwas bewegte sich unter den Fellen und wanderte ans obere Bettende. Jetzt sah John Law, dass eine weitere Indianerin in Crozats Bett lag.

»Sie wissen, weshalb ich hier bin, Monsieur?«

»Es ist nichts Persönliches, Monsieur Law, es war rein geschäftlich.«

»Rein geschäftlich«, wiederholte John Law leise.

»Ja«, schrie Crozat. Die beiden Mädchen wichen erschreckt zurück, »jawohl, Monsieur Law! Rein geschäftlich! Habe ich mich jemals darüber beklagt, dass ich am Spieltisch so viel Geld verloren habe? Hunderttausende habe ich an Ihren Spieltischen verloren! Habe ich mich jemals darüber beklagt? Nein, Monsieur! Und warum? Weil es nichts mit Ihrer Person zu tun hat! Es ist ein Spiel! Nichts als ein Spiel! Und wer nicht verlieren kann, soll nicht spielen! Und wer keine Verluste ertragen kann, soll keine Geschäfte tätigen!«

»Hat Noailles Sie dazu angestiftet?«

»Fragen Sie ihn! Sie wissen ja, wo Sie ihn finden!«

 

»Das ist wohl das Ende Ihres Systems, Monsieur Law«, sagte Noailles nach einer Weile. Der Regent schien nicht sonderlich beeindruckt. Er schaute zu Noailles rüber, dann zu John Law. Er dachte nach, spielte mit seinen Fingernägeln.

»Nicht das System hat versagt, Monsieur Noailles. Es ist der Neid der Pariser Finanziers, der unsere Bank sabotiert«, sagte John Law. Nur schlecht gelang es ihm, seine Emotionen zu verbergen. Wer John Law von den Spieltischen her kannte, erlebte heute eine Überraschung. John Law war nervös.

»Unsere Bank?«, lachte Noailles. »Es ist Ihre Bank, Monsieur Law. Und es ist Ihre Bank, die morgen Bankrott geht.«

»Es ist unsere Bank, Noailles«, unterbrach ihn der Regent. »Ich wollte diese Bank. Das Parlament hat mir diese Bank verboten. Also habe ich Monsieur Law of Lauriston damit beauftragt, sie in seinem Namen zu führen.«

»Monsieur«, rief John Law mit eindringlicher Stimme, »bringen Sie mir noch heute Nacht fünf Millionen in Münzen in die Bank. Und ich schwöre Ihnen, dass in Zukunft nichts mehr den Erfolg dieser Bank wird aufhalten können. Zum Ruhme Frankreichs und der Krone!«

»Fünf Millionen!«, lachte Noailles. »Wir sind doch hier nicht am Spieltisch, Monsieur.«

Der Regent polierte nachdenklich die Fingernägel der linken Hand: »Monsieur le Duc de Noailles, bei allem Respekt für Ihre Motive, aber selbst wenn die Bank morgen scheitern sollte, ein Beweis für ihre Untauglichkeit wäre damit nicht erbracht. Das System würde dadurch nicht widerlegt. Neid und Missgunst sind keine mathematischen Größen.«

»Darf ich sprechen, Monsieur?«, fragte Noailles gereizt.

»Nein, Noailles«, antwortete der Regent, »als Sie die Pariser Finanziers ruiniert haben, ging es Ihnen allein um das Wohl der Finanzen, um das Wohl der Krone, um das Wohl Frankreichs. Wenn Sie jetzt die Banque Generale zu Fall bringen wollen, um Monsieur Law zu treffen, dann missachten Sie das Wohl Frankreichs. Nicht das Wohl von Monsieur Law muss Sie kümmern, sondern das Wohl der Krone. Und worin liegt der Nutzen für Frankreich, wenn diese Bank morgen Bankrott geht?«

»Monsieur«, rief Noailles erneut und verbeugte sich mehrfach untertänigst.

»Ich habe Ihnen nicht gestattet zu sprechen, Noailles«, unterbrach ihn der Regent, »Frankreich lag in Agonie. Durch diese Bank wurde mehr Geld in Umlauf gebracht als in den letzten zwanzig Jahren zuvor. Frankreich erwacht aus der Agonie. Abgestorbene Gliedmaßen werden mit frischem Blut versorgt, die Menschen glauben wieder an die Zukunft, investieren in die Zukunft, nehmen Kredite auf, kaufen Rohstoffe, stellen Arbeiter ein, die wiederum Geld verdienen und Güter kaufen. D'Argenson hat mir gestern berichtet, dass selbst die Straßenkriminalität massiv zurückgegangen ist. Noailles! Wollen Sie dieses glorreiche System zu Fall bringen, nur weil Sie Monsieur Law zu Fall bringen wollen?«

Jetzt herrschte betretenes Schweigen. Der Regent beschäftigte sich wieder mit seinen Fingernägeln. Nach einer Weile zeigte er Law die Fingernägel der linken Hand:

»Sehen Sie die weißen Tupfer im Nagel? Die kriegt man vom Champagner, von diesem Dom Perignon. Rotwein soll gesünder sein. Aber ich habe ohnehin dem Genuss abgeschworen. Ich werde Frankreich zu neuer Blüte führen.« Dann drehte der Regent seine Hand und zeigte John Law die Innenseite: »Sehen Sie meine Lebenslinie? Ich soll angeblich älter werden als unser verstorbener Sonnenkönig.« Der Regent schmunzelte: »Für alles gibt es ein System, nicht wahr: Systeme sind eine wunderbare Sache, wenn sie funktionieren. Die Menschen klammern sich gern an Systeme. Auch Gott ist gewissermaßen ein System, nicht wahr, Noailles?«

Noailles schien brüskiert. »Ich schließe mich Ihrer Argumentation an, Monsieur le Due, muss Ihnen jedoch bedauerlicherweise mitteilen, dass die Königliche Münze zurzeit über keine fünf Millionen Livre in Gold- und Silbermünzen verfügt.« Noailles schaute John Law direkt ins Gesicht: »Wir würden gern. Wir können nicht.«

Der Regent hob die Arme, als wolle er den Heiligen Geist anflehen: »Ich bedaure, Monsieur Law. Wenn unsere Alchemisten Mäusekot in Gold verwandeln könnten, hätten sie es längst getan. Voilá. C'est ca.«

John Law war wie vor den Kopf geschlagen.

Der Regent wandte sich wieder seinem Finanzminister zu: »Sagen Sie mal, Noailles, ist es wahr, dass Ihre Mätresse Crozat le Riehe einen Schuldenerlass von fünfzig Prozent angeboten hat für den Fall, dass er Monsieur Law die Mississippi-Konzession verkauft und das Entgelt in Münzen bezieht?«

Noailles, der sich noch soeben genüsslich ein Schmunzeln verkniffen hatte, wurde kreidebleich.

»Also ist es wahr«, murmelte der Regent und widmete sich wieder seinen Fingernägeln, »fünfzig Prozent bedeuten einen Schuldenerlass über 3,3 Millionen Livre. Sie verschenken 3,3 Millionen Livre, um Ihren privaten Hass gegen Monsieur Law zu befriedigen?«

Noailles schwieg. Wütend schaute er zu John Law hinüber.

»Wenn Ihnen Ihre Privatfehde so viel wert ist, sollten Sie es selbst bezahlen, Monsieur le Duc de Noailles.«

»Möchten Sie, dass ich meinen Rücktritt anbiete?«, fragte Noailles unterwürfig.

»Ich möchte, dass Sie morgen Früh die Königliche Münze besuchen und die für die Bank erforderliche Menge Münzgeld abheben.«

Noailles nickte.

»Sie werden Monsieur Law etwas aushelfen«, fuhr der Regent fort, »schließlich ist er Ihr Landsmann, er ist jetzt Franzose.«

»Darf ich Sie unter vier Augen sprechen, Monsieur le Regent?«, fragte Noailles.

»Monsieur«, wandte sich der Regent an John Law, »ich bedanke mich für Ihren Besuch.«

John verneigte sich. Noailles grinste unverschämt und nahm erst wieder Haltung an, als der Regent sich ihm zuwandte. Dieser Gesichtsausdruck gefiel John Law überhaupt nicht. Hatte Noailles noch einen Trumpf in der Hand?

 

Im Haus an der Place Louis-le-Grand servierte Janine einen kleinen Imbiss. Im fernen Edinburgh war Jean Law bereits vor Monaten im Alter von siebzig Jahren verstorben. William hatte Lauriston Castle verpachtet und war mit seiner frisch angetrauten Rebecca und der inzwischen vierundfünfzigjährigen Janine nach Paris gereist, um vom Ruhm seines Bruders zu profitieren. Nach mehreren Briefwechseln hatte John Law schließlich eingewilligt, seinen Bruder William bei sich in Paris aufzunehmen und ihm eine wichtige Stellung in der Bank anzuvertrauen. Jetzt saß er da, der kleine Bruder, und schien immer noch gekränkt, weil ihn John heute Morgen übersehen hatte. John versuchte ihm die aktuelle Situation zu erklären. William Law hörte griesgrämig zu.

An seiner Seite strahlte die überaus hübsche und attraktive Rebecca Dives, die Tochter eines vermögenden Kohlenhändlers aus London. Sie versuchte, versöhnlich auf ihren Ehemann einzureden: »Er wollte dich nicht kränken. William.«

»Er hat mich nicht gekränkt«, brummte William, »ich bin nur etwas müde von der langen Reise.«

John Law schenkte Rebecca ein dankbares Lächeln. Sie erwiderte es spontan, was William nur noch mehr ärgerte. Kate und John junior wechselten bedeutungsvolle Blicke. Sie saßen gern zu Tisch, wenn ihre Eltern Gäste hatten. Sie beobachteten sie stillschweigend, zogen sich dann wohlerzogen in ihre Zimmer zurück und kugelten sich vor Lachen, wenn sie die Gäste und ihr sonderbares Verhalten imitierten.

»Ihr könnt bei uns wohnen, solange ihr wollt«, versuchte nun auch Catherine. William gnädig zu stimmen.

Rebecca sah Catherine mit einem etwas gequälten Lächeln an. Sie mochte diese Frau nicht sonderlich. Sie wirkte so dominant, souverän, und kein Mann in Gesellschaft hätte es jemals gewagt, sie zu übergehen, nur weil sie dem weiblichen Geschlecht angehörte. Das fehlte Rebecca. Rebecca war einfach schön. Schön und langweilig.

»Nun gut«, brummte William widerwillig, »kommen wir endlich zur Sache. Du hast mir geschrieben, dass du deine Bank gegründet hast und dass es nun viel zu tun gebe. Was bietest du mir an?«

»Lass uns morgen in der Bank darüber reden«, entgegnete John. William hatte sich kaum verändert. Er war immer noch der neidische kleine Bruder, der sich stets in seiner Ehre gekränkt fühlte und dennoch jederzeit bereit war, über diese Kränkung hinwegzusehen, wenn dabei für ihn ein paar Louisdor heraussprangen. John sah, dass es in William rumorte.

»William«, fing John erneut an, »wir haben hier jeden Tag eine neue Situation. Die Banque Generale ist bedeutender als die Entdeckung Amerikas.«

»An der Grenze erzählte uns jemand, dass deine Bank vor dem Bankrott steht«, sagte William ungehalten, »es würde mich sehr ärgern, wenn ich vergebens nach Paris ...«

»William«, lächelte Catherine, »Sie haben morgen noch den ganzen Tag Zeit, um schlechte Laune zu haben.« William und Rebecca schienen irritiert. »Der Duc d'Orleans«, fuhr Catherine fort, »hat John seine Unterstützung zugesagt. Mein Mann und ich bezweifeln sehr, dass er Wort hält. Aber ob er sein Wort hält oder nicht, werden wir morgen sehen. Wieso echauffieren wir uns also schon heute Abend über Ereignisse, die erst morgen stattfinden werden?«

»Du und deine Luftschlösser«, entgegnete William, »du warst schon immer ein Träumer, John ...«

»Vertraust du einem Gerücht mehr als den Worten deines Bruders?«, fragte John. Langsam war seine Geduld am Ende.

»Halten wir uns doch an die Fakten, Messieurs«, sagte Catherine mit gewohnt energischer Stimme: »Der Duc d'Orleans hat seine Hilfe zugesagt. Und morgen werden wir sehen, ob er Wort gehalten hat.«

»Wollen Sie uns das Gespräch verbieten, Madame?«, fragte William düpiert. Catherine schaute William missbilligend an: »Wir sind es in diesem Hause nicht gewohnt, endlos über Dinge zu debattieren, die wir nicht beeinflussen können. Wir hadern nicht mit den Dingen. Wir verändern sie. Und wenn das außerhalb unserer Macht liegt, akzeptieren wir sie.«

William und Rebecca sahen sich an. Dann sahen sie John an, als würden sie von ihm ein Machtwort erwarten. Doch John schenkte Catherine ein liebevolles Lächeln und nickte ihr zustimmend zu. John stand demonstrativ auf: »Wir haben morgen einen anstrengenden Tag vor uns.«

William blieb sitzen: »Ist es wahr, dass ihr immer noch nicht verheiratet seid?«

»Catherine ist verheiratet«, sagte John und grinste, »ich bin es noch nicht.«

»Wie ist das möglich?«, fragte Rebecca und legte ihre hübsche Stirn in kleine Falten. »Catherine ist noch verheiratet. John ist es noch nicht«, grinste William.

»Aber ihr habt doch zwei Kinder?«, entsetzte sich Rebecca.

»Die Natur nimmt auf solche bürokratischen Details keine Rücksicht«, scherzte John. Das Eis schien nun zwischen ihnen gebrochen. John öffnete die Salontür. Er wollte zu Bett gehen. William erhob sich:

»Das ist aber gar nicht klug, John, wenn du stirbst, erbt Catherine gar nichts«, lachte William, »da sie ja noch verheiratet ist, kann sie nach dem Gesetz nicht deine Frau sein, und die Kinder, die sie geboren hat, können nicht deine ehelichen Kinder sein ...«

»Du willst doch nicht etwa John zum Duell auffordern?«, amüsierte sich nun Catherine ihrerseits.

»Nicht schon wieder,William«, lachte John, »die Banque Generale braucht uns beide noch, und ich verspreche dir, so wahr ich hier sitze, es wird nicht zu deinen Ungunsten sein. Ich werde mein Wort halten.«

 

Der Konvoi des Bankiers Samuel Bernard erreichte Punkt zehn Uhr die Place Louis-le-Grand. Fünf Kutschen. Zahlreiche Menschen hatten sich auf dem Platz eingefunden. Es hatte sich herumgesprochen, dass heute die Banque Generale zusammenbrechen würde. Kein Pariser Finanzier fehlte. Einige hatten ihre Kutschen, die diskret am Straßenrand warteten, verlassen und standen nun in neugieriger Erwartung vor der breiten Treppe, die zur Bank hinaufführte. Die fünf Kutschen des Samuel Bernard kamen vor der Bank zum Stehen. Ein Diener öffnete die Tür der ersten Kutsche. Der Bankier stieg aus.

In diesem Augenblick wurden die Flügel des Portals der Banque Generale von zwei Schweizer Lakaien geöffnet. John Law trat hinaus. Sein Blick schweifte über den Platz. Er stieg einige Stufen hinunter und blieb dann stehen. Samuel Bernard blieb unten an der Treppe. Er schaute zu John Law hinauf: »Monsieur Law of Lauriston. Ich habe gestern in Ihrem Bankhaus, in Anwesenheit unserer Notare, fünf Millionen in Banknoten einbezahlt. Auf Ihren Banknoten steht geschrieben, dass die Bank verspricht, dem Inhaber sofort die Summe des notierten Betrages in Münzen auszubezahlen. Hier bin ich nun und bitte um Auszahlung in Münzen.«

»Monsieur Bernard«, entgegnete John Law mit weithin vernehmlicher Stimme, »es freut die Banque Generale, dass sie einen Mann von Ihrem Renommee von ihren Leistungen überzeugen konnte.« John Law wandte sich nun an seinen Bruder William, der zusammen mit der Dienerschaft auf der obersten Treppe in respektvollem Abstand stehen geblieben war, und rief ihnen zu: »Man möge Monsieur Bernard seinen Wunsch erfüllen.«

Dutzende von Schweizer Lakaien in grünen Livreen traten darauf ins Freie und trugen schwere Ledersäcke mit Louisdor und Silber-Ecus die Stufen hinunter. Sie wurden von William Law angeführt. John Law hatte angeordnet, dass die Auszahlung nicht in wenigen Kisten vonstatten gehen sollte, sondern in kleinen Ledersäcken. Es war eine nicht enden wollende Prozession von Lakaien, die hintereinander die Treppe zu den Kutschen des Samuel Bernard hinunterstiegen und ihr Säcklein ablieferten.

Der Verleger Larcat trat mit ungläubigem Staunen hinter einer von Samuel Bernards Kutschen hervor und blieb neben dem Finanzier stehen. Als Bernard ihn sah, entriss er einem von John Laws Dienern einen Geldsack und riss ihn auf: Eine Hand voll Louisdor purzelte zu Boden.

Larcat hob einige auf und wog sie staunend in der Hand: »Es funktioniert«, stammelte er.

»Wo hat der Kerl bloß in so kurzer Zeit das viele Münzgeld aufgetrieben?«, ärgerte sich Bernard.

»Spielt das eine Rolle?«, fragte Larcat scheinheilig. »Die Banque Generale hat ihr Versprechen gehalten, das System funktioniert.«

Bernard machte eine abfällige Handbewegung.

Larcat grinste: »Was werden Sie jetzt mit dem vielen Münzgeld machen? Bringen Sie es morgen wieder zur Bank?«

Wütend nahm Samuel Bernard dem Zeitungsmann Larcat die Goldmünzen aus der Hand und bestieg seine Kutsche.

 

Indianische Tänzerinnen bewegten sich zum rhythmischen Klang von Trommeln und Flöten über die Theaterbühne, während groß gewachsene Indianer mit exotischem Federschmuck goldene Götterstatuen präsentierten. Dann wurden dressierte Papageien vorgeführt, wilde Tiere in rollenden Käfigen auf die Bühne geschoben, und überall sah man Gold. Goldene Armspangen, goldene Halsketten, goldene Figuren und Amulette. Eine Waage wurde mit einem Seilzug von der Decke auf die Bühne hinuntergelassen. Die beiden Waagschalen waren so groß, dass ein Mensch darin sitzen konnte. Die bleich gepuderten Gäste auf den Balkons staunten nicht schlecht, als nun plötzlich ein sakral geschmückter Indianer die Bühne betrat. Die Trommeln verstummten. Die Tänzerinnen hielten inne. Der Indianer trug eine lange Robe mit farbigen Streifen, in der Hand einen goldenen Stab. Das pechschwarze Haar zierte ein goldener Federschmuck, den die Gäste jedoch sofort als Sonnenstrahlen wahrnahmen.

»O«, schmunzelte der Duc d'Orleans, der neben John Law saß, »soll dies eine Anspielung sein, Monsieur? Der neue Sonnenkönig kommt aus der Neuen Welt?«

»Die Sonne wird in allen Kulturen verehrt«, sagte Catherine, »ohne Sonne gäbe es kein Leben auf Erden. Selbst der christliche Heiligenschein geht auf den persischen Sonnengott Mithra zurück.«

»Ach, Madame«, seufzte der Herzog, »wenn die Damen der Pariser Gesellschaft nur ein kleines bisschen mehr von Ihrem Esprit hätten.«

Catherine verneigte sich respektvoll.

»Monsieur, darf ich Ihnen meinen Bruder William und seine Gemahlin Rebecca vorstellen?« John Law wies mit einer eleganten Handbewegung auf William und Rebecca, die in der zweiten Reihe Platz genommen hatten. Sie erhoben sich beide mit vornehmer Langsamkeit, obwohl sie ihre Aufregung kaum unterdrücken konnten. Der Duc d'Orleans schien vor allem an der schönen Rebecca Gefallen zu finden. Ein Trommelwirbel lenkte die Aufmerksamkeit des Regenten erneut auf die Bühne. Der Priester setzte sich in die eine Waagschale. Nun betraten unter erneutem Trommelwirbel weitere Indianer die Bühne und schaufelten schwere Goldklumpen auf die zweite Schale. Ganz allmählich wurde der Priester nun hochgehoben, und die anwesenden Gäste applaudierten. Sie waren begeistert. John Law wurde gefeiert. Man verlangte nach ihm. Man wollte ihn sehen, sprechen hören.

John Law begab sich ins Parkett und betrat die Bühne. Er erklärte die Compagnie de Ja Louisiana ou d'Occident für gegründet. Ihre Kolonien umfassten in etwa die Hälfte des nordamerikanischen Kontinents. Der Schotte bedankte sich beim Regenten, dass er der Gesellschaft das Handelsrecht für fünfundzwanzig Jahre überlassen hatte, und verkündete, dass die neue Compagnie Frankreich prosperieren lassen und zur größten Weltmacht machen werde. Um dieses Ziel zu erreichen, brauche er aber frisches Kapital in Höhe von über hundert Millionen Livre. Zu diesem Zweck würde er zweihunderttausend Aktien der Banque Generale verkaufen, jeden Anteil mit einem Wert von fünfhundert Livre. Ab morgen stünde es jedem frei, Anteile zu zeichnen, um am größten Abenteuer der Finanzmärkte teilzuhaben.

Der Duc de Noailles, der im Parkett saß, war empört über das Spektakel, das er unwürdig fand: »Wieso macht er diesen Fremden zum König über die Neue Welt?«

»Er ist jetzt auch Franzose«, entgegnete Saint Simon, »und im Übrigen lediglich Geschäftsführer der Compagnie de la Louisiana ou d'Occident.«

»Hören Sie auf mit diesem Namenswirrwarr«, ereiferte sich Noailles, »für uns Franzosen ist es immer noch die Mississippi-Kompanie.«

»Ihr Ärger in Ehren, Monsieur le Ministre«, flüsterte Samuel Bernard, »aber wie wollen Sie diesen Schotten aufhalten? Jetzt hat er sogar noch seinen Bruder nachkommen lassen. Gefragt ist nicht Ihre Entrüstung, Monsieur, sondern ein Plan.«

»Nur das Parlament kann diesem protestantischen Schotten das Handwerk legen«, verteidigte sich Noailles.

»Sie müssen seine Bank zu Fall bringen. Dann bringen Sie auch seine Mississippi-Kompanie zu Fall«, stichelte Bernard.

»Mir haben Sie die Mississippi-Kompanie entrissen«, lästerte Crozat, »und jetzt hat ein protestantischer Schotte für fünfundzwanzig Jahre das Alleinrecht auf den Handel zwischen Frankreich und den Kolonien. Das ist Ihr Werk, Noailles!«

Noailles wandte sich von Crozat ab, suchte Unterstützung bei Saint Simon und Bernard.

»Er hat Recht«, wiederholte Samuel Bernard, »es ist Ihr Werk. Also liegt es an Ihnen, die Sache wieder in Ordnung zu bringen.«

»Ich bezweifle, dass unser Minister dazu in der Lage ist«, sagte eine tiefe Stimme. Alle drehten sich um. D'Argenson stand vor ihnen. Er hatte ihre Unterhaltung belauscht.

»Was Ihnen fehlt, Messieurs, ist eine Strategie. Wer dem Schotten offen den Krieg erklärt, hat schon verloren.«

»Sag ich doch«, stimmte Bernard zu, »wir brauchen einen Plan!« D'Argenson lächelte vielsagend und wandte sich von der kleinen Gruppe ab.

 

William Law und Rebecca genossen den Abend. Sie waren erst seit wenigen Wochen in Paris und kannten bereits alles, was Rang und Namen hatte.

»John!«, rief William, als er seinen Bruder auf sie zukommen sah. »Wie kann ich mich jemals bei dir bedanken? Ich habe dir Unrecht getan.«

John lächelte versöhnlich: »Du brauchst dich bei mir nicht zu bedanken, William. Und wenn du es dennoch tun willst, dann gib es in irgendeiner Form meiner Familie zurück. Meiner Frau Catherine, meinen Kindern John und Kate.«

»Wir sind entzückt, John«, entfuhr es Rebecca. Ihre Augen leuchteten wie die eines jungen Mädchens, »Paris vergöttert Sie.« Sie strahlte John an. »Wie einen König«, fügte sie schwärmend hinzu.

John spürte, dass Rebecca mehr als nur Gefallen an seiner Person gefunden hatte. Sein Bruder William tat ihm Leid. Rebecca sah den missmutigen Blick ihres Mannes und wiederholte trotzig, dass John Law tatsächlich wie ein König behandelt werde.

»Wo ein König ist, sind die Königsmörder nicht fern«, lachte John.

»Solchen sind wir heute auch begegnet«, sagte William leise, »ich hörte, das Parlament will dir Böses. Sie wollen von ihrem Recht der Remonstranz Gebrauch machen und dich vernichten.«

»Ja«, entgegnete John besorgt, »der Regent musste seinerzeit dem Parlament dieses alte Recht wieder zurückgeben, damit das Parlament ihn als Regenten akzeptiert. Er brauchte diesen Tauschhandel im Kampf gegen Spanien, das nach dem Tod des Sonnenkönigs seinen Anspruch auf die Krone geltend gemacht hatte.«

John verabschiedete sich von seinem Bruder und seiner Schwägerin. Er hatte im Hintergrund den Duc d'Orleans erblickt und ging kurz entschlossen auf ihn zu. Zu seiner großen Überraschung trank der Regent auch an diesem Abend nur Wasser.

Als der Herzog John Law auf sich zukommen sah, trat er ihm entgegen: »Kann ich noch etwas für Sie tun, Monsieur?«, fragte er gönnerhaft.

»Nein«, antwortete Law freundlich, »ich bewundere Ihren neuen Mut zur Klarheit.«

»Das gefällt mir«, lachte der Regent und erhob theatralisch sein Glas, »Mut zur Klarheit, das gefällt mir, Monsieur. Das ist gut. Sehr gut!«

»Sie haben Mut bewiesen, Monsieur le Regent, Sie werden es nicht bereuen. Doch nur wenn Sie nun auch den nächsten Schritt wagen, wird sich Ihr Mut bezahlt machen.«

»Noch einen Schritt?«, scherzte der Regent mit gespielter Empörung und lehnte das Glas Champagner, das ihm ein Diener anbot, ab. »Die Dienerschaft muss sich erst noch daran gewöhnen, dass Seine Königliche Hoheit nicht mehr säuft«, sagte der Regent leise, »das macht den Herren Ministern und Parlamentariern Angst. Dass ich an den Staatsgeschäften mittlerweile mehr Gefallen finde als am Hintern einer jungen Frau. Aber Sie, Monsieur Law, Sie machen mir Angst, wenn Sie noch weitere Schritte fordern.«

»Mit ein bisschen Puder kriegen Sie die Staatsfinanzen nicht mehr in den Griff, Monsieur le Regent. Sie können nicht ständig die Währung abwerten, um Ihre Schulden zu tilgen. Sie brauchen den Mut zur Offensive. Wir müssen die Bank nationalisieren. Die Bank braucht mehr Autorität, und die Kompanie müssen wir zur größten Handelsgesellschaft der Welt ausbauen.«

»Dafür müsste ich wohl das Parlament in die Bastille werfen«, grummelte der Regent. Jetzt schien er plötzlich wieder gelangweilt.

»Fangen Sie mit Noailles an, das wäre kein schlechter Anfang.«

Der Regent nickte: »Mut zur Klarheit. Das ist wirklich gut. Wenn Sie mich jetzt aber bitte entschuldigen wollen ...«

Der Duc d'Orleans hatte ein besonders apartes Indianermädchen entdeckt und ließ John Law stehen, ohne auf seine Worte des Abschieds weiter zu achten. Bis in die frühen Morgenstunden vergnügte sich der Duc d'Orleans mit einer Hand voll junger Indianerinnen inmitten der Theaterrequisiten, die hinter der Bühne gestapelt waren. Er lag da, fast ganz entblößt, auf einer römischen Liege zwischen antik bemalten Kaiserbüsten, Säulenfragmenten, ausgestopften Tieren, mit Kettenhemden überspannten Porzellanpuppen und künstlichen Bäumen, die man aus Holzbrettern herausgesägt und bemalt hatte. Als Crozat hinter die Bühne trat, zogen sich die Mädchen wieder an. Crozat machte ihnen Zeichen, ihm zu folgen.

»Wo wollen Sie denn hin, Crozat le Riehe?«, lachte der Due d'Orleans.

Aber Crozat hörte nicht auf ihn. Als er wieder auf die Bühne trat und mit den Mädchen die schmale Treppe zum Saal hinunterstieg, erkannte er Noailles und d'Argenson.

»Wo ist der Regent?«, rief Noailles Crozat zu.

Crozat zeigte hinter die Bühne. Wortlos ging er mit seinen Mädchen an Noailles und d'Argenson vorbei. »Wo sind die Mädchen?«, fragte der Duc d'Orleans, während er seine Kleidung in Ordnung brachte.

»Crozat le Riehe hat sie wieder mitgenommen«, entgegnete Noailles.

»Crozat le Pauvre«, scherzte d'Argenson, »wenn Sie weiter alle vermögenden Pariser melken, werden Sie bald niemanden mehr haben, der diesen Staat finanziert.«

»Lassen wir die Plaudereien«, giftete Noailles. »Ist es wahr, Monsieur le Regent, dass Sie mir das Amt des Finanzministers entzogen haben?«

Der Duc d'Orleans unterdrückte ein Gähnen: »Ja, ja, Noailles«, murmelte er. »Sie kommen nicht vom Fleck. Das Volk hasst Sie. Das Parlament verspottet Sie. Ihre Rezepte ... ich kann sie nicht mehr hören, Ihre Rezepte. Frankreich kann auch ohne Sie Bankrott gehen. Ich hasse Sie.«

»Mit Verlaub, Monsieur le Regent...«

»Ich will nichts mehr hören, Noailles. Manchmal braucht es den Mut zur Klarheit. Hören Sie? Den Mut zur Klarheit. Sie sind Ihres Amtes enthoben.«

»Und wer wird mein Nachfolger?«

»Er steht neben Ihnen, Noailles.«

»D'Argenson?«, fragte Noailles verblüfft. »Mit Verlaub, aber was befähigt den Polizeipräfekten, die Leitung der Finanzgeschäfte zu übernehmen?«

D'Argenson gluckste vergnügt. Noailles Affront störte ihn nicht. Der Duc d'Orleans richtete sich langsam auf: »Er wird respektiert, Noailles. Respektiert.«

»Er wird gefürchtet«, schrie Noailles, »nicht respektiert. Weil er seine schützende Hand über die verzogene Brut von Parlamentariern legt, wenn sie im Suff Dienstmägde vergewaltigen und Stallburschen in vermeintlichen Duellen niederstechen.«

D'Argenson lächelte amüsiert.

»Respektiert, gefürchtet, wie es Ihnen beliebt, Noailles«, fuhr der Herzog fort. »Im Parlament gärt es, ich spüre es deutlich, man verweigert mir den Respekt, versucht, mir Knüppel zwischen die Beine zu werfen, man sagt, ich sei zu schwach. Finden Sie, ich sei zu schwach, Noailles?«

»Nein, Monsieur le Duc. Ich teile diese Meinung nicht.« Noailles sah das breite Grinsen auf dem Gesicht von d'Argenson.

Der neue Finanzminister beugte sich zu Noailles und flüsterte ihm ins Ohr: »Sie stehen mit einem Bein bereits in der Bastille.«

Wilde Zuckungen verzerrten die Gesichtszüge des gewesenen Finanzministers. Er sah zu d'Argenson, sah diesen stechenden Blick, den Spott und die Verachtung, dann sah er zum Regenten und kniete nieder: »Ich denke, Sie haben die richtige Entscheidung getroffen, Königliche Hoheit«, überwand sich Noailles, »und ich freue mich, wenn ich Ihnen in einer anderen Funktion nützlich sein darf.«

»Ein Platz als Berater im Regentenstab, wenn es Ihnen beliebt?«, fragte der Regent.

 

Im französischen Parlament spielten sich tumultartige Szenen ab. Noailles war entlassen worden. D'Argenson hatte den Posten des Finanzministers übernommen. Und soeben war bekannt geworden, dass der Livre erneut um ein Sechstel abgewertet worden war. Das war nun endgültig zu viel. Wer Schulden hatte, konnte sich darüber freuen, doch wer haushälterisch mit seinem Geld umgegangen war und gespart hatte, war bitter bestraft worden. Die aufgebrachten Parlamentarier beschlossen, dem Regenten eine Lektion zu erteilen.

»Wir machen von unserem Recht auf Einspruch Gebrauch und fordern den Regenten auf, die Abwertung des Livre zurückzunehmen.« Der Redner wurde mit großem Beifall bedacht. Jetzt fassten weitere Parlamentarier Mut und begaben sich zum Rednerpult.

»Wir fordern die Trennung der Banque Generale von den Staatsgeschäften. Staatliche Gelder müssen per sofort aus der Banque Generale abgezogen werden.«

Die Parlamentarier applaudierten heftig.

»Die Steuern dürfen ab sofort nicht mehr mit Banknoten der Banque Generale bezahlt werden«, forderte der nächste.

Die Forderungen wurden immer gewagter.

»Ausländern ist jegliche Tätigkeit in Staatsgeschäften untersagt. Das gilt auch für Ausländer, die bereits eingebürgert worden sind.«

»Nennt uns ein Gesetz, das uns verbietet, den Schotten zu hängen«, schrie plötzlich jemand aus der hintersten Reihe. Der Rufer erntete tosenden Applaus.

Saint Simon verließ eilig das Parlament und fuhr mit seiner Karosse zum Palais Royal. Unterwegs verfasste er eilig eine Notiz. Als er vor dem Palais Royal angekommen war, händigte er die handschriftliche Notiz dem Kutscher aus und befahl ihm, sofort zur Banque Generale zu fahren und die Botschaft Monsieur Law persönlich auszuhändigen. Dann betrat Saint Simon das Palais.

Der Regent war außer sich vor Wut, als ihm Saint Simon von den Tumulten im Parlament und von den Absichten der Abgeordneten erzählte. Er ordnete sofort den Zusammenzug der Gardesoldaten an und gab Order, jede Tür mit Bewaffneten zu besetzen. Er ordnete weiter an, dass man Schweizer Gardisten, Musketiere und Leibgardisten an strategischen Orten platzieren solle. Die ganze Umgebung des Palais Royal sollte mit vorgeschobenen Verteidigungslinien befestigt werden. Ein etwaiger Kampf dürfe unter keinen Umständen im Innenhof des Palais ausgetragen werden.

 

Fassungslos starrte John Law auf den Zettel mit Saint Simons Notiz. Fragend wandte er sich an den Kutscher, der unten in der Schalterhalle stand. Doch dieser konnte ihm auch nicht mehr berichten.

Als der Kutscher wieder davonfuhr, erreichten bereits die ersten Schweizer Gardisten die Place Louis-le-Grand. Sie postierten sich auf den Außentreppen der Bank.

»Stehen wir unter Arrest?«, fragte William irritiert. Er sah aus einem der großen Fenster in Johns Arbeitszimmer und blickte auf die Place Louis-le-Grand hinunter.

»Ich weiß es nicht.Vielleicht schickt sie der Regent. Zu unserem Schutz«, entgegnete John. »Geh nach unten, William, und lass die Bank schließen«, befahl John. Dann wandte er sich an Angelini: »Schließen Sie den Tresorraum und verstärken Sie die Wachen. Schicken Sie einen Boten zu den Jakobitern. Nehmen Sie so viele Gardisten wie nur möglich unter Sold. Die stehen dort ohnehin nur untätig herum.«

Als es Nacht geworden war, wurde die Place Louis-le-Grand von zahlreichen Fackeln gespenstisch erleuchtet. Knapp fünfzig Gardisten bewachten die Bank. Ab und zu kam es zu kleineren Scharmützeln. Gruppen von jungen Burschen rannten auf den Platz, warfen Steine gegen die Gardisten und zogen sich gleich wieder zurück.

»Noch sind es nur wenige«, sagte William. Gemeinsam mit John stand er am Fenster im ersten Stock und wartete angespannt auf das Aufklaren des Himmels in den frühen Morgenstunden.

»Vielleicht sind es bald schon hunderte, tausende ...«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, entgegnete John nüchtern, »aber ich bezweifle, dass die Pariser Finanziers so viele Burschen bezahlen würden, um nachts Steine zu werfen, nur um meinen Bruder in Angst und Schrecken zu versetzen.«

»Ich hätte nicht herkommen sollen, John. Das war mein größter Fehler. Ich hätte in London bleiben sollen. Aber ich habe mich hinreißen lassen von all deinen Versprechungen. Wie alle hier in Paris.«

William wandte sich John zu: »Das ist deine Gabe, John, du verdrehst den Menschen den Kopf, den Frauenzimmern, den Finanziers, den Spielern ...«

»Dann geh doch, William«, sagte eine Frauenstimme im Dunkeln. John drehte sich zu Catherine um. Sie war in den Raum getreten und setzte sich nun neben den Kamin. Ein Diener war dabei, neues Holz aufzulegen. Rebecca lag noch immer auf der Chaiselongue, wo sie gestern Abend eingeschlafen war.

»Sie hat Recht. William«, sagte John nach einer Weile, »wenn du gehen willst, bezahle ich dich für deine Dienste und lasse dich morgen nach Calais eskortieren. Es fahren täglich Postschiffe nach London.«

»Morgen! Morgen! Vielleicht liegt morgen schon alles in Schutt und Asche!«

»Was ist passiert?«, schrie Rebecca plötzlich. Die lauten Stimmen hatten sie geweckt.

»Nichts ist passiert«, entgegnete Catherine ruhig, »wir sitzen hier und plaudern, und irgendwann werden wir an diesen Abend zurückdenken und herzhaft darüber lachen.«

»Ja, ja, lachen!«, schrie William. »Du begreifst den Ernst der Lage nicht. Man macht John für die Abwertung des Livre verantwortlich ...«

»D'Argenson hat die Abwertung veranlasst. Ich war dagegen!«, unterbrach ihn John.

»Das ist den Leuten da draußen egal!«, schrie William. »Du bist der verhasste Schotte ...«

»Franzose«, scherzte John.

»Ein protestantischer Schotte, der mit einer verheirateten Katholikin zusammenlebt und von jüdischen Bankiers finanziert wird! Das sagen die Leute da draußen. Dich, und nur dich allein, machen sie jetzt für alles verantwortlich!«

»Es ehrt mich, dass man mir zutraut, innerhalb von wenigen Monaten ein größeres Fiasko anzurichten als der Sonnenkönig in fünfzig Jahren.«

William machte eine unwirsche Handbewegung: »Du wolltest ja immer bedeutender sein als alle anderen. Jetzt hast du es erreicht. Dein Kopf ragt über alle anderen hinaus. Und diesen Kopf wollen sie jetzt in der Schlinge sehen!«

»Wer das Feuer scheut, sollte nicht Koch werden, William! Ich habe nie behauptet, dass meine Geschäfte keine Risiken bergen. Nie! Wenn alle Geschäfte Gewinn bringend wären, würden alle Menschen Geschäfte tätigen. Ich bin ein Law, William, weder unbedeutend noch gering. Ich habe einen Plan zur Sanierung des Haushalts. Und ich halte an diesem Plan fest. Weil er richtig ist. Und daran kann mich niemand hindern. William.«

»Wir sollten gehen, William«, bat Rebecca mit ängstlicher Stimme, »wir sollten sofort von hier weggehen.« Sie war den Tränen nahe.

»Habe Mut, William«, sagte Catherine und erhob sich von ihrem Sitz, »unterscheide dich von anderen Menschen! Zeige Stärke!«

»Sei still«, bat Rebecca, »ich kann das alles nicht mehr hören, wir sollten Paris verlassen und nach London zurückkehren!«

»Es ist zu spät«, antwortete William resigniert. Nach einer Weile sagte er: »Ich werde meine Handfeuerwaffen laden.«

»Endlich ein konstruktiver Vorschlag.« John Law lächelte.

 

Der Duc de Saint Simon empfing John Law mit offenen Armen: »Man erzählt sich, Sie hätten sich in der Bank verbarrikadiert. Ich werde bezeugen, dass dem nicht so ist.«

John Law grinste. Aber es war nicht zu übersehen, dass ihm die letzten Wochen arg zugesetzt hatten. Sein Blick war flüchtig, unruhig, als erwarte er jeden Augenblick eine neuerliche Katastrophe.

»Haben Sie mit dem Regenten gesprochen?«, fragte John Law ohne Umschweife.

»Ja«, antwortete Saint Simon ernst und senkte den Blick, »der Regent befindet sich in einer misslichen Lage. Mit seinem liederlichen Leben hat er das gesamte Parlament gegen sich aufgebracht. Sie wollen ihn stürzen. Gegen alles, was der Regent beschließt, erheben sie Einspruch. Alles wollen sie rückgängig machen. Der Regent wird einige Bauernopfer bringen müssen, wenn er diese Krise überstehen will.«

»Sie meinen mich?«

»Er hat keine Wahl, Monsieur Law, das Parlament will Sie hängen sehen. Es war sehr unvorsichtig, hierher zu kommen. Sehr unvorsichtig.«

Saint Simon schwieg. Irgendwo hörte man eine Tür schlagen. John Law fuhr zusammen.

»Es ist nur mein Diener, Monsieur Law. Er wartet draußen.«

»Sagen Sie dem Regenten, dass er Stärke zeigen muss. Es wird ihn nicht retten, wenn er mich fallen lässt. Es wird ihn nur näher an den Abgrund bringen. Sagen Sie ihm, dass ich Frankreich zu einer neuen Blüte verhelfen werde. Aber er muss durchhalten.«

Saint Simon schwieg.

Nach einer Weile fragte Law: »Werden Sie ihm das ausrichten?«

Saint Simon nickte.

»Noch heute?«, fragte John Law.

»Ja«, antwortete Saint Simon, »ich fahre Sie in meiner Kutsche nach Hause zurück. Das ist am sichersten. Anschließend fahre ich zum Palais Royal.«

 

Als die Familien von John Law und William Law zu Abend aßen, wurde kaum ein Wort gewechselt. Auch die Diener schienen bedrückt. Es war offenbar kein Geheimnis mehr, dass man John Law hängen sehen wollte.

»Es ist wohl besser«, sagte John Law nach einer Weile, »wenn ihr euch für eine frühestmögliche Abreise vorbereitet.«

»Und du?«, rief John junior.

»Mich werden sie nicht gehen lassen. Ich werde hier bleiben.«

Der dreizehnjährige John wandte sich an seinen Onkel William. Der starrte auf seinen Teller und schwieg.

»Ich werde auch hier bleiben«, sagte Catherine nach einer Weile.

»Ich auch«, sagte John junior. Und seine Schwester Kate nickte eifrig mit dem Kopf. Vor lauter Angst brachte sie längst kein Wort mehr heraus. Jetzt blickten alle zu William hinüber. Er starrte immer noch auf seinen Teller, als hätte ihn eine Erbse in der Gemüsesuppe hypnotisiert.